FragenKategorie: SchultergelenkWarum tragen einige Patienten nach einer Schulteroperation einen blauen Sack unter dem Arm?
Josef, K. fragte vor 6 Jahren

Warum tragen einige Patienten nach einer Schulteroperation einen blauen Sack unter dem Arm?

1 Antworten
Dr. D. Hedrich Mitarbeiter beantwortet 6 Jahren vor

Hallo,
In unserem Krankenhaus in Kösching zum Beispiel, den Kliniken im Naturpark Altmühltal bei Ingolstadt, kann es passieren, dass man  im vollen Aufzug steht und im 3. Stock will ein Patient einsteigen, der noch einen blauen Sack unter dem Arm trägt. Damit wird es richtig eng – und mancher muss sich gegen die Wand pressen, damit der Ärmste mit seinem blauen Sack ausreichend Platz hat. Man könnte ja  hängen bleiben und die Luft geht raus – aus dem Sack. Nun, dieser Patient wurde wahrscheinlich in der orthopädischen Abteilung operiert und muss nun für die kommenden 6 Wochen diesen Sack mit sich herumtragen.
Ein Patient mit diesem Krankheitsbild hat vorausgehend mehrere Wochen Schulterschmerzen und zuweilen auch eine richtige Schwäche den Arm anzuheben. Nach eingehender Röntgen–, Ultraschall- und Kernspintomographie ergibt sich ein Riß in der Rotatorenmanschette. Dies ist ein Muskel-Sehnenkomplex, der den Oberarmkopf direkt umgreift wie eine Manschette. Aufgrund altersbedingter Verschleißprozesse kann sich in dieser unter Spannung stehenden Sehnenmanschette ein Riß bilden.
Die Folge ist, dass sich Schmerzen einstellen und – wenn der Riß größer ist – auch eine Schwäche bis hin zur Unfähigkeit den Arm zu heben. Bei der Operation wird zunächst eine Gelenkspiegelung vorgenommen und dabei die Größe des Risses und die Lagebeziehung festgestellt. Danach wird über einen kleinen Schnitt dieser Riß wieder am Oberarmkopf angenäht. Damit ist der Riß nun geflickt – aber er hängt nur an den Fäden, die der Operateur durch den Knochen gezogen hat. Damit dieser genähte Sehnenanteil in Ruhe und ohne Zug an den Fäden ausheilen kann wird der Arm abgespreizt, solange bis die Sehne wieder fest eingewachsen ist. Das dauert etwa 6 Wochen. Um dieses Einheilen in leichter Armabspreizung zu gewährleisten bekommen diese Patienten einen blauen Sack unter die Achsel geschoben. Damit können sie den ganzen Arm auf dieser Luftröhre ablegen. Der Sack selbst ist mit 1 bis 2 kg sehr leicht und angenehm zu tragen. Vor etwa 25 Jahren hatten diese Patienten einen kompletten Rumpf-Armgips erhalten. Dieses Verfahren war ungleich schwerer und erlaubte keine frühe Bewegung in einer Motorschiene, welche heutzutage bereits auf der Station eingesetzt wird und dann nach Hause bestellt wird. Nach 6 Wochen kann man dann den blauen Sack ablegen. Häufig wird eine Rehabilitation – stationär oder ambulant eingeleitet. Diese dauert etwa 3 Wochen. Die Nachbehandlungszeit ist relativ lang – aber es sind gute Ergebnisse zu erwarten. Im Kreiskrankenhaus Kösching werden in der Orthopädie etwa 120 Schultern pro Jahr operiert – mehr als in allen umliegenden Krankenhäusern. So kommt es bei uns auch häufiger vor, dass es im Aufzug mal enger wird.
Ihr
Dr. Dirk Hedrich